50 Jahre Landtechnischer Verein
Landtechnischer Verein und Landtechnik
gestern - heute - morgen
Ein Festvortrag von Prof. Hermann Auernhammer zum 50-jährigen Gründungsjubiläum am 25. November 2008 in Herrsching am Ammersee
.
Mit der Landtechnik Weihenstephan und dem darin integrierten Landtechnischen Verein e.V. wurde eine einmalige, weit vorausschauende, schlagkräftige und hoch effiziente Heimat für die landtechnische Forschung, Entwicklung, Umsetzung und Bewertung geschaffen. Über Jahrzehnte prägte sie die landtechnischen Entwicklungen in Bayern, in Deutschland und in weiten Bereichen der Nachbarländer. Dadurch wurde Landtechnik Weihenstephan zu einem Synonym für
technischen Fortschritt mit seinen segensreichen Auswirkungen auf Arbeitsentlastung, verfahrens-technischer Optimierung und ökonomischen Erfolg.
Fünfzig Jahre nach der Gründung des Landtechnischen Vereins e. V., kurz LTV, werfen wir deshalb einen Blick zurück, betrachten dann die Gegenwart und versuchen schließlich einen vorsichtigen Ausblick auf Morgen.
1. LANDTECHNIK GESTERN
"So ist es zu verstehen, dass wir in unserem Rückblick auf die vergangenen Arbeiten des LTV manche Dinge ganz anders beurteilen als noch vor zehn Jahren und dass wir heute über manche landtechnischen Probleme milde lächeln, die wir damals noch außerordentlich wichtig und ernst nahmen. Andererseits gibt es aber auch zurückliegende Arbeiten, die sehr schnell zum Erfolg führten, wie auch solche, auf die man erste heute zurückgreifen kann, weil früher die Zeit dafür noch nicht reif war."
Eine Erkenntnis, die so auch heute noch uneingeschränkt gültig ist und wenn wir zu den noch nicht "reifen Arbeiten" dieser Zeit später kommen, so sollen doch die grundlegenden und zugleich
herausragenden Ergebnisse dargestellt werden. Diese sind - bis heute - zwei Bereichen zuzuordnen.
Dazu wieder Schulz:
"Seit Beginn der Tätigkeit des Landtechnischen Vereins standen nämlich vor allem die einfachen und preiswerten Mechanisierungs- und Baulösungen im Mittelpunkt der Bemühungen, um auch den vielen kapitalschwachen Betrieben eine sinnvolle und wirtschaftliche Mechanisierung zu ermöglichen. Diesen Arbeiten begannen 1958 mit zwei wichtigen Arbeitsgebieten:
1. Errichtung von Bespielsbetrieben, die der Beratung und der Praxis als Anschauungs- und Demonstrationsobjekte für einfache und betriebswirtschaftlich sinnvolle Mechanisierungs- und Baulösungen dienen sollten.
2. Durchführung angewandter und praxisnaher Forschungsvorhaben."
Frontlader
Allen voran ist hier der Frontlader zu nennen, denn dieses Gerät wurde an kaum einer anderen Stelle so umfassend untersucht wie beim LTV.
"So wurde bereits 1958 mit Untersuchungen über den Frontladereinsatz begonnen. Damals war der Gebrauch des Frontladers noch keineswegs so wie heute selbstverständlich. Wir sahen in ihm aber eine billige Möglichkeit:
sämtliche Ladearbeiten im bäuerlichen Betrieb, vor allem auch in der Futterernte, zu mechanisieren ... und deshalb hofften wir, mit dem Frontlader ein Einmannladegerät zu bekommen, vor allem für diejenigen Betriebe, denen der Feldhäcksler zu teuer war."
Zwei Abbildungen mögen damalige Arbeiten wiedergeben:
"Aus Norwegen kam die Anregung, Heu und Stroh in ebenerdige Bergeräume mit dem Frontlader zu stapeln und auch Flachsilos so zu füllen. Hierbei wurden wir zuerst mit Baufragen (Silobau) und Kunststoffproblemen (Silofolien) konfrontiert. Dann
ergab sich nach sehr vieler Vorarbeit die Planung des ersten Frontladerhofes, der so gebaut war, dass in ihm alle Lade- Einlagerungs- und innerbetriebliche Transportarbeiten mit dem Frontlader durchgeführt werden konnten, um mit einem einzigen Gerät auszukommen."
Eine sehr gut aufgemachte und hervorragend illustrierte Schrift begleitete diesen Beispielsbetrieb.
Ladewagen
Gegenüber dem Frontlader war man aber vorsichtiger geworden, wie eine andere Aussage von SCHULZ belegt: "Wir selbst aber geben dem Ladewagen auch noch für die Zukunft eine Chance, selbst wenn er für manche Betriebe nur noch eine Übergangslösung darstellt."
Gegenüber 1969 mit etwa 300.000 verkauften Einheiten ist diese Zahl auf mittlerweile über eine Million angestiegen und gerade derzeit erlebt der Ladewagen in seiner Ausprägung als großvolumiger Erntewagen mit hohen Traktorleistungen eine neue Renaissance, wenngleich damals die Praxis von der Leistung, vom Nutzen und von der richtigen Einsatzform überzeugt werden musste.
Boxenlaufstall für Milchvieh
Auch dazu Schulz: "Daher erschien uns die seinerzeit von Holland ausgehenden Vorschläge, die Kühe in sogenannten Liegeboxen ruhen zu lassen, recht einleuchtend. Leider konnte uns aber zu dieser Zeit – es war ja auch erst 1962 – noch niemand mit konkreten Angaben weiterhelfen, daher bauten wir selbst eine Versuchseinrichtung zur Feststellung der zweckmäßigen Boxenausbildung. Es war eine
transportable Hütte mit drei Boxen und variablen Abmessungen, die in verschiedenen Betrieben aus probiert wurde. Danach entstanden sehr schnell die ersten Beispielsbetriebe mit Liegeboxen, ..."
Diese Beispielsbetriebe wurden zu einem "Mekka" für bauwillige Landwirte und Berater und haben entscheidend zum heutigen Standard in der Milchviehhaltung beigetragen. Vor allem aber haben sie bewiesen, dass eine zeitnahe Umsetzung neuer Entwicklungen mehr benötigt, als die Veröffentlichung der Ergebnisse und Vorschläge in Wort und Bild, wenngleich dies unabdingbare Voraussetzungen sind.
Gestern bis Mitte der 70er Jahre
1959 bis 1965
- Technik und Einsatzmöglichkeiten des Frontladers
- Mechanisierung der Futterrübenernte
- Getreidetrocknung und Getreidelagerung
- Technik und Bauausführung bei Flach und Foliensilos
- Kapitalsparende Um- und Neubaulösungen für die Rinderhaltung mit einfachen Liegeboxenlaufstallungen, Fütterungseinrichtungen, Melkständen und Entmistungsanlagen
1965 bis 1970
- Ladewagen, sowie Abladen, Einlagern, Konservieren und Füttern von Ladewagengut
- Kunststoffanwendung in der Landwirtschaft wie insbesondere Silofolien, Siloanstriche, Schaumstoffe zur Wärmedämmung, Stallbodenbeläge, Foliengruben zur Güllelagerung, Recycling von Altkunststoffen
- Lose Mineral- und Kalkkette
- Technische und bauliche Selbsthilfe
- Neue Siliertechniken wie Silopresse, Hochdruckballensilage, chemisches Vorwelken von Futterpflanzen
1970 bis 1975
- Starrrahmenbauweise und andere Selbstbau-Holzkonstruktionen
- Technisch-bauliche Einrichtungen für die Pferdehaltung
- Fräsen und Blockschneider für Flachsiloentnahme
- Trauf-First-Lüftungssysteme
- Hofschleppereinsatz
- Dosiergeräte für Ladewagengut
- Selbstfahrende Ladewagen für Grünfuttertrocknungsanlagen
FAZIT:
2. LANDTECHNIK HEUTE
Wiederum trug der LTV auch in dieser Periode durch bedeutende landtechnische Arbeiten zur landtechnischen Entwicklung und Umsetzung in die Praxis bei, wovon zwei Projekte besonders herausgestellt werden sollen:
Großballentechnik
Geradezu gierig wurden deshalb Lösungsansätze aus den USA kommend in Form von Rund- oder Quaderballen aufgegriffen. Leistungsfähigkeit, Bindemöglichkeiten, Transport und Einlagerung waren ebenso Gegenstand vielfältiger Untersuchungen, wie die Auslagerung und
Einbringung in den Stall bis hin zur Auflösung dieser neuen Gebindeform. Zugleich konnte dabei auf die unendlich vielfältigen Erfahrungen im Frontlader-einsatz zurück gegriffen werden, welcher bis heute das zentrale Förderorgan geblieben ist.
Praxisnahe Untersuchungen der Pressenvarianten mit Festkammer und mit Variokammer zielten auf die Erhöhung der Flächenleistung, die Reduzierung der Bindestillstandszeiten und auf die Einflüsse des Pressvorganges auf mögliche Trocknungs-eigenschaften. Vollständige Verfahrensanalysen mit Einbeziehung geeigneter Lagerungsmöglichkeiten in kostengünstigen Gebäuden rundeten die Untersuchungen ab.
Weihenstephaner Bauprogramm
Der Vertrieb des Bauprogramms war und ist fester Bestandteil in den Aufgaben des LTV und der heutigen ALB. Er wurde von unzähligen Praktikern weit über die Landesgrenzen von Bayern und Deutschland hinaus genutzt und konnte so wesentlich zur Kostensenkung bei der Gebäudeerstellung in der Landwirtschaft beitragen.
Energie und Umwelt
1975 bis 1980
- Möglichkeiten der Strohverwertung anstelle der Strohverbrennung auf dem Feld
- Kostengünstige neue Holzbautechniken wie Kastenträger, Stützenwände, Rundholzkonstruktionen, Getreidesilos
- Erprobung neuer Baustoffe wie vor allem Holz- und Kunststoffe
- Erste Versuche zur Nutzung von Sonnenenergie, Windkraft, Biogas, Stallabwärme und Abfallholz
1980 bis 1995
- Intensive Bemühungen um einfache Sonnenkollektoren zur Wasser- und Lufterwärmung
- Technische Verbesserungen und Untersuchungen an Biogasanlagen
- Einsatz von Wärmepumpen und Kraft-/Wärme-Kopplungsaggregaten
- Weiterentwicklung und Erprobung einfacher Windturbinen
- Luft/Luft-Wärmetauscher zur Stallheizung und Verbesserung des Stallklimas und der Tiergesundheit
- Entwicklung und Erprobung von Langzeit-Wärmespeichern
- Verbesserung der Techniken zur Werbung, Lagerung, Trocknung und Verfütterung von Heu
FAZIT:
3. LANDTECHNIK MORGEN
Technik und Boden
Technik und Wasser
- Gleichstandsaat für Pflanzen mit geringer Pflanzenzahl je m² (Mais, Zuckerrüben, Raps)
- Größere Reihenabstände bei Getreide, um darin präzise eingebrachte Untersaaten im Mai/Juni zu ermöglichen, damit Wasser und Mineralisierungsstickstoff optimal genutzt werden können
- Entwicklung von zukunftsweisenden Tropfbewässerungsverfahren auf Basis biogener Werkstoffe, welche nach Einmalnutzung durch Zuführung organischer Lösungen vor der Ernte aufgelöst werden und so die Erntetechnik und die Folgefrüchte nicht zu belasten (Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais, Getreide mit großem Reihenabstand)
Technik und Pflanze
- Autonome "Small Robots" sind für die Bestandsüberwachung unerlässlich. Sie müssen über Lernfunktionen verfügen, um bei sich abzeichnenden örtlichen Infektionen/Befallssituationen diese Stellen häufiger aufzusuchen
- Die "Small Robots" müssen zudem in der Lage sein, Mikromengen an Pflanzen-/Düngemitteln zielgenau auf oder an der Pflanze applizieren zu können, wodurch die einheitliche flächentreue Applikation entfallen würde
- Für die Ernte von mengenmäßig großen Erträgen sind neue Erntetechnologien zu entwickeln (z.B. Abpressen des Fruchtwassers bei der Stärkekartoffelernte zur Gewinnung hochwertiger Inhaltsstoffe)
- Erntetechniken müssen Qualitätsdifferenzierungen vornehmen können, wenn dadurch mit den Ernteprodukten eine sehr viel höhere Endproduktqualität zu erzielen ist
- Technik muss zudem „Intelligente Pflanzen“ erkennen und deren Signale umsetzen können
Technik und Tier
- Leistungsgerechte Versorgung mit Grundfutter, um verfügbares Grundfutter noch optimaler zu nutzen und Verluste weitgehend auszuschalten
- Verbesserte Gesundheitsüberwachung der Einzeltiere mit Signalisierung sich abzeichnender Probleme auch zwischen den Futterzeiten und direkter Beeinflussung der Tiere für die erforderliche Ausschleusung aus der Herde
- Verbesserte Fruchtbarkeitsüberwachung mit wesentlich höheren Ergebnissen bei der Bedeckung/Wiederbelegung
- Reduzierung der Treibhausgase im Tierbereich mit Schwerpunkt auf der Ausscheidung bei Wiederkäuern und bei Emissionen aus dem Kot- und Harnbereich
Technik und Energie
- Insbesondere hydraulische Antriebe arbeiten vielfach aufgrund von zusammen geschalteten Ölkreisläufe im ungünstigen Wirkungsgradfeld
- Nahezu überall wird in der Technik die Abwärme mit hohem Aufwand vernichtet, obwohl Sterling-Maschinen oder andere Techniken daraus wertvolle elektrische Energie zurück gewinnen könnten
- Mechanisch-hydraulische Leistungsverzweigungen sind im Gesamtwirkungsgrad unbefriedigend. Der Ersatz durch Elektrik würde bei stark wechselnden Einsatzbedingungen sehr viel bessere Ergebnisse bringen
- Mehr erforderliche Elektronik führt zu neuen Möglichkeiten und gleichzeitig zu größeren Ausfallwahrscheinlichkeiten. Verbesserte Systeme würden viel stärker die „eigene Gesundheit“ überwachen und frühzeitig selbstständig Alarmmeldungen mit hoher Informationssicherheit an den Nutzer absenden (z.B. abnehmende Batterieleistung, zur Neige gehender Speicherraum, abnehmende Wirkungsgrade in Teilsystemen, andere)
FAZIT:
4. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Möge er in der neuen ALB auch weiterhin so ergebnisreich und zielführend wie gestern und heute arbeiten, damit er auch morgen die vielen neuen Herausforderungen meistern kann. Noch ist nicht alles erfunden und getestet, vielmehr stehen wir erst am Ende das Anfangs!
Zum Festvortrag von Herrn Prof. Hermann Auernhammer: Auernhammer_50 Jahre LTV